Die Kläranlagenbetreiber in Niedersachsen sind gemäß § 100 Abs. 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) verpflichtet, ein Kataster über alle nichthäuslichen Abwassereinleitungen in die öffentliche Kanalisation aufzustellen. Ein solches Kataster ist wichtig, um den Betrieb der kommunalen Kläranlagen und der Kanalnetze zu sichern.
Das Abwasserkataster muss alle für die Beurteilung der Abwassereinleitung und ihrer Bedeutung für die kommunale Kläranlage wichtigen Informationen enthalten. Dies sind z. B.
- Adresse, Grundstückseigentümer, Betriebsinhaber, Ansprechpartner
- Branche
- Größe des Betriebes (Anzahl Beschäftigte)
- Wasserverbrauch bzw. Abwasseranfall pro Jahr
- Abwasserrelevante Betriebsbereiche, z. B. Fahrzeugwäsche, Kantine, ggf. nähere Informationen hierzu
- Auflistung abwasserrelevanter Einsatzstoffe
- Abwasservorbehandlungsanlagen
- Angaben zur Abfallentsorgung (Plausibilitätskontrolle!)
Außerdem gehören zu einem vollständigen Kataster auf jeden Fall Planunterlagen zu den relevanten Einleitern (Entwässerungspläne, ggf. Verfahrensfließbilder). Da der Einleiter (Betrieb, öffentliche Einrichtung, Arztpraxis o. ä.) in der Regel die Interessen der Abwasserbeseitigung nicht kennt, wird er sie weder bei den betrieblichen Tätigkeiten besonders beachten noch wird er bei einer (schriftlichen) Befragung hierzu umfassend Auskunft erteilen. Viele Bereiche und Tätigkeiten werden schlicht nicht als abwasserrelevant erkannt. Bei größeren und bedeutenderen Einleitern ist daher eine Ortsbegehung und fachkundige Beurteilung der örtlichen Situation unumgänglich.
Zu beachten ist, dass der Begriff „Abwasserkataster“ nicht zu verwechseln ist mit dem „Kanalkataster“, das die Daten zur Kanalisation sammelt und verwaltet.
Ablauf
1. Für die Erstellung kommunaler Abwasserkataster hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Erstellung der Einleiterliste. Hierfür ist die Auswertung und der Abgleich verschiedener Informationsquellen erforderlich. Die ausschließliche Verwendung der kommunalen Gewerbeliste ist nicht ausreichend, da z. B. freie Berufe wie Ärzte oder Landwirte darin nicht bzw. nur unvollständig enthalten sind. Außerdem sind die Gewerbelisten erfahrungsgemäß nicht auf dem neuesten Stand. Weitere Informationsquellen sind z. B. Ärztekammer, IHK, Handwerkskammer, Branchentelefonbuch und natürlich die branchenspezifischen Auskünfte im Internet.
2. Schriftliche Erhebung mit branchenspezifischen Fragebögen gemäß DWA-Merkblatt M 115 Teil 3 „Indirekteinleitung nichthäuslichen Abwassers: Praxis der Indirekteinleiterüberwachung“. Vom Ingenieurbüro Flöser werden derzeit ca. 20 verschiedene Fragebögen eingesetzt. Das Anschreiben zum Erhebungsbogen sollte auf die Notwendigkeit der Erhebung und auf die Rechtsgrundlage hinweisen und eine Frist für die Rücksendung enthalten.
3. Mahnung an die säumigen Einleiter. Erfahrungsgemäß werden nach dem ersten Versand maximal 70 % der Bögen zurückgesandt. Entscheidend hierfür ist u. a. die Qualität der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit (Pressemitteilungen). Daher muss nach Ablauf der Frist noch einmal auf die Notwendigkeit der Rücksendung hingewiesen werden.
4. Auswertung der Erhebungsbögen und Erstellung der Prioritätenliste (Gefahrenklassen). Die Einleiter werden nach ihrer Bedeutung für die Kläranlage klassifiziert. Darin gehen ein
- Abwassermenge
- Abwasserinhaltsstoffe
- Schwankungen des Abwasseranfalls
- Betrieb von Vorbehandlungsanlagen
- Qualität der Eigenüberwachung
- Größe und Ausbaustatus der Kläranlage
- Lokale Besonderheiten wie z. B. hoher Anteil gastronomischer Betriebe in touristischen Regionen etc.
5. Betriebsbegehungen bei den bedeutenden Einleitern in der Reihenfolge der Prioritätenliste.
Erst nach Abarbeitung dieses Programmes besteht ein annähernd vollständiger Überblick über die Abwassereinleitungen und deren Bedeutung für Kanalsubstanz, Betriebssicherheit der Kläranlage, Klärschlammbeschaffenheit und Ablaufqualität des Abwassers aus der Kläranlage. Hieraus ergeben sich dann ggf. Einzelmaßnahmen in bestimmten Betrieben oder flächendeckende Programme zur Verminderung der allgemeinen Abwasserbelastung (Beratung, Schulung bestimmter Branchen o. ä.).
Parallel zu den genannten Maßnahmen sollte die kommunale Abwassersatzung auf Aktualität und ggf. auf Ergänzungsbedarf überprüft werden. Die Erstellung des Abwasserkatasters und die entsprechende Auskunftspflicht der Einleiter sollte ebenso darin verankert werden wie Fragen der Kostenübernahme für Überwachungsmaßnahmen.
Zeitbedarf
Für die Erstellung eines Abwasserkatasters für eine kleinere Kommune (ca. 20.000 Einwohner) muß mit einem Zeitbedarf von mindestens einem Jahr gerechnet werden, bei größeren Kommunen entsprechend mehr.
Veröffentlicht
[1] Flöser, V., Rauber, R.: Methoden und Verfahren der Indirekteinleiterüberwachung. Erfahrungen mit einem flächendeckenden Abwasserkataster.Korrespondenz Abwasser 44 (1997), S. 1364 – 1374